7. (langer) Tag – Spitzbergen

Entspannt aufgewacht: es schaukelt nicht mehr! Wir liegen gemütlich im Hornsund von Spitzbergen. Mein Kopf und mein Magen drehen sich nicht mehr – erstmal Frühstück. Herrlich!

Wir gehen Fischen: Am Heck des Schiffs ist jetzt gesperrt für Wissenschaftler, die Decksmannschaft bringt den Fangkasten mit vorgeschaltetem Sortierkasten am Netz ins Wasser, dann die Schwerbretter, die das Netz offen halten und dann ein paar hundert Meter Leine. Oben auf der Brücke wird das Fischerei-Echolot beobachtet und langsam gefahren; nach einer halben Stunde wird das Netz sehr langsam eingeholt. Wir wollen die Fische möglichst lebendig, und dafür brauchen sie ähnlich wie Taucher Zeit zum Druckausgleich. Als alles wieder an Bord ist heisst es Ring frei, freudig stürzen sich alle auf den Fang. Im Sortierkasten hat sich ein Plattfisch verfangen, der noch gerettet wird. Die fitten Polardorsche werden vermessen und ins Aquarium gesetzt, die Kabeljaue zum Sezieren separat sortiert.

Die Polardorsche werden während der Fahrt mit frischem, passend temperierten Meerwasser und Luft versorgt. Zu Fressen gibt es nichts. Das macht ihnen nichts aus, uns sie verunreinigen das Wasser auch weniger durch Ausscheidungen.

Mittagessen das erste Mal langweilig (Nudeln mit Tomatensoße, gebratene Wurstscheiben, Salat), aber lecker.

Dann der 2. Fischzug: wir manövrieren vorsichtig in den Fjord rein, mit viel Abstand zu diversen Eisbergen. Es guckt ja nur wenig raus, 90% sind unter Wasser! Beim Fischen wieder die gleiche Prozedur. Diesmal haben wir zu viel Grund berührt und einen großen Stein hochgeholt. Um ihn nicht bis zur Öffnung des Netzes mühsam Meter um Meter rollen zu müssen, wird das Netz aufgeschnitten und wieder geflickt.

Die Kabeljaue werden seziert. Das ist weniger appetittlich, aber gehört dazu. Hinweis an alle Nicht-Mediziner: alles, was wir im Studium seziert haben war sehr lange tot und gründlich in Formalin eingelegt. So ein Fisch ist schon was anderes!
Die Kabeljaue werden betäubt, getötet und eine Flossenprobe geschnitten. Sie werden am Bauch geöffnet, dann wird die Leber präpariert und gewogen, der Magen präpariert und gewogen, die Gonaden präpariert, bestimmt und gewogen, die Innereien entfernt, das Leergewicht gemessen, der Schädel eröffnet und die Otolithen geborgen und eine Muskelprobe entnommen. Wir machen das zu viert: 2 am Tisch, eine Assistent, der hilft, misst und wiegt, und ein Protokollant. Nach Plan würden wir bis zu 50 Kabeljaue pro Fang sezieren; es waren aber für jeden nur gut ein Dutzend. Reicht auch.

Auch der Beifang wird sortiert, bestimmt und gewogen. Seesterne, Garnele, Plattfische, und auch eine Schnecke. Sie wandern alle zurück ins Meer. Auf die Reste der sezierten Kabeljaue stürzen sich die Seevögel, die uns schon umringen.

Abends sind alle eher müde und verziehen sich langsam in die Kabinen. Jetzt braucht man die Vorhänge, denn hier geht die Sonne nicht mehr unter! Ich schlafe schlecht, weil mir Bilder von sezierten Fischem vorm Auge herumgeistern. Zum Glück bleibt es die einzige solche Nacht.

BETRIEBSARZT: Am Präpariertisch kann man eine rutschfeste Trittstufe herausziehen, um eine ergonomische Arbeitshöhe zu erreichen. Für mich passt es ohne.


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